Disziplin ist glücklicherweise nicht ein deutscher Begriff. Da begegne ich doch als Trainer einem ausgestorben geglaubten Widerstand: „Ich soll noch lernen, noch mal auf die Schulbank? Ich mach das doch schon 15 Jahre.“
Sei es als G’schamigkeit, als persönliche Schande empfunden oder als die verbliebene Demütigung aus der letzten Reorganisation, der höhere Belastungen für diese Mitarbeitergruppe gebracht hatte: quasi ein „an mir liegt es doch nicht, wenn…!“ „Und jetzt soll gerade ich noch … dazulernen!“ Blockade, Verweigerung, Fortsetzung des Leidens.
Die schlechteste Gelegenheit, die Lernsituation zu erzwingen, Disziplin einzufordern! Aber erfolgreicher Change oder Post-Merger-Integration ist heute nicht mein Thema. Vielmehr, wie wir angemessener mit „menschlichen Signalen“ umgehen. Da gibt es so etwas speziell Deutsches: Disziplin einfordern.
Disziplin geht ganz anders
Kaum zu glauben, aber wahr! Discipulus (lateinisch) ist der Schüler, Disziplin also vielleicht „Schülerhaltung“ – Warum nicht? Was gibt es Neues? Wie damit umgehen? Das klingt spannend. Ein Votum für Lebendigkeit, für aufgeschlossene Suche – auch für Demut, vielleicht doch nicht schon perfekt zu sein. Auch für die Bereitschaft, Mühen durchzustehen, Unlust zu überwinden, um sein Ziel zu erreichen.
Erst jetzt kommt’s zum deutschen Drama: Preußische Gehorsamsmentalität, dazu die Schwarze Pädagogik der Elitezüchtung hat uns diese eher natürliche Selbstdisziplin zur unkritischen Gehorsamsmentalität verdorben. So ist Disziplin für Viele ein Grauen. Wir verlangen dieses Miss-Verstandene aber von anderen, ebenso (unmerklicher) auch von uns selbst. Auch die schwarze Pädagogik hinter diesem „Disziplin!“-Begriff verschafft auch mir eher Gänsehaut: Sie führte zum “Kadavergehorsam” im deutschen Faschismus. Was die alten Philosophen wohl dazu meinten?
Lern-Disziplin wunderbar
Schauen Sie mal nicht in deutsche Schüler-Quälanstaltenb sondern in eine afrikanische Dorfschule, wo Kinder Lesen und Schreiben lernen: 100% Lernbegeisterung. Alles andere wie auch bei uns ist institutionelle Deformation.
Mein Bekenntnis zur Lernhaltung ist klar: „Ich lerne noch“ – einen goldenen Button mit schwarzer Schrift tragen manche Auszubildende im Hotelfach – wunderbar! Ich habe mir 2001 einen im Best Western in Brehna bei Leipzig gekauft und trage ihn zu besonderen Anlässen mit Stolz: Ich lerne noch, mit Freuden! Auch aus Niederlagen, dann eher mit Schmerzen. … habe nicht ausgelernt – wie es früher ja auch hieß. „Ausgelernt“ – da stülpt man nur die alten Schablonen über die neuen Fragen – keine Alternative für Deutschland.
Disziplin ist in der Lernhaltung eine wunderbare Herausforderung! Hier ist Disziplin = Selbstdisziplin. Was will ich? – Was nehme ich dafür auf mich! Wollen statt sollen, müssen, Nicht/dürfen. Stattdessen Interesse, Neugier, Staunen: Motivation kommt von innen, entspricht unserem natürlichen Wesen. Motivation kann ja auch nur geweckt werden, wenn sie schon da ist. Für Sie als Führungskraft haben wir hier mehr.
Wollen gehört zur Disziplin wie das Sollen zum Gehorsam
Das Loblied aufs Wollen ist vielfach besungen worden, die Realität sieht oft leider anders aus: Menschen haben zu funktionieren wie ein Rädchen in einer Maschine – defekte Teile werden halt ausgetauscht. Erst wenn es an geeigneten Ersatzteilen mangelt, steigt der Wert achtsamen Umgangs: Keinen Motor sollte man auf Dauer mit mehr als 66% der Maximaldrehzahl fahren, sonst droht erhöhter Verschleiß, Ausfall. Dafür gibt es doch Inspektion, Wartung, …? Prävention leistet der “Driver”!
Bitte mehr Wertschätzung also für die „Menschmaschine“! Stärken wir mehr das Wollen, ermutigen wir Selbstdisziplin statt selbsterodierende Folgsamkeit, die eh nur nutzt, bis der Betreffende ausgebrannt ist. Heute schon, nicht erst morgen, nächstes Jahr, „Keine halben Sachen mehr“ – dank Dir Roger Cicero! Schade, dass Du schon so früh weg bist.
Fördern wir Offenheit und Aufgeschlossenheit, Suchen, Lernen, … sonst droht geistiger Stillstand: Auslaugen der Substanz statt in Entwicklung investieren und Potenziale sich entfalten lassen. Nicht-mehr-Lernen ist gleich geistig tot sein. Ein Hoch dem Weiterlernen!
Ein letzter Satz dann doch noch zum „Change Management“: Wenn wir Wandel gestalten, können wir grundlegende Erfolgsfaktoren (Leistungs- und Lernbereitschaft, …) auch nachhaltig beschädigen. Seien wir also achtsam: Wertschöpfung ohne Wertschätzung – wie sollte das gehen? Und später: Achten wir auf die Signale, bevor wir geblitzt werden. Greifen wir Zeichen für alte Verletztheiten auf und klären Altlasten für lebendige Zusammenarbeit im Heute und Morgen, für Aufgeschlossenheit und Inspiration!