12
Apr
2016

Dis­zi­plin – ein deut­sches Schick­sal!

Dis­zi­plin ist glück­li­cher­wei­se nicht ein deut­scher Begriff. Da begeg­ne ich doch als Trai­ner einem aus­ge­stor­ben geglaub­ten Wider­stand: „Ich soll noch ler­nen, noch mal auf die Schul­bank? Ich mach das doch schon 15 Jah­re.“

Sei es als G’schamigkeit, als per­sön­li­che Schan­de emp­fun­den oder als die ver­blie­be­ne Demü­ti­gung aus der letz­ten Reor­ga­ni­sa­ti­on, der höhe­re Belas­tun­gen für die­se Mit­ar­bei­ter­grup­pe gebracht hat­te: qua­si ein „an mir liegt es doch nicht, wenn…!“ „Und jetzt soll gera­de ich noch … dazu­ler­nen!“ Blo­cka­de, Ver­wei­ge­rung, Fort­set­zung des Lei­dens.
Die schlech­tes­te Gele­gen­heit, die Lern­si­tua­ti­on zu erzwin­gen, Dis­zi­plin ein­zu­for­dern! Aber erfolg­rei­cher Chan­ge oder Post-Mer­ger-Inte­gra­ti­on ist heu­te nicht mein The­ma. Viel­mehr, wie wir ange­mes­se­ner mit „mensch­li­chen Signa­len“ umge­hen. Da gibt es so etwas spe­zi­ell Deut­sches: Dis­zi­plin ein­for­dern.

Dis­zi­plin geht ganz anders

Kaum zu glau­ben, aber wahr! Disci­pu­lus (latei­nisch) ist der Schü­ler, Dis­zi­plin also viel­leicht „Schü­ler­hal­tung“ – War­um nicht? Was gibt es Neu­es? Wie damit umge­hen? Das klingt span­nend. Ein Votum für Leben­dig­keit, für auf­ge­schlos­se­ne Suche – auch für Demut, viel­leicht doch nicht schon per­fekt zu sein. Auch für die Bereit­schaft, Mühen durch­zu­ste­hen, Unlust zu über­win­den, um sein Ziel zu errei­chen.

Erst jetzt kommt’s zum deut­schen Dra­ma: Preu­ßi­sche Gehor­sams­men­ta­li­tät, dazu die Schwar­ze Päd­ago­gik der Eli­te­züch­tung hat uns die­se eher natür­li­che Selbst­dis­zi­plin zur unkri­ti­schen Gehor­sams­men­ta­li­tät ver­dor­ben. So ist Dis­zi­plin für Vie­le ein Grau­en. Wir ver­lan­gen die­ses Miss-Ver­stan­de­ne aber von ande­ren, eben­so (unmerk­li­cher) auch von uns selbst. Auch die schwar­ze Päd­ago­gik hin­ter die­sem „Disziplin!“-Begriff ver­schafft auch mir eher Gän­se­haut: Sie führ­te zum “Kada­ver­ge­hor­sam” im deut­schen Faschis­mus. Was die alten Phi­lo­so­phen wohl dazu mein­ten?

Lern-Dis­zi­plin wun­der­bar

Schau­en Sie mal nicht in deut­sche Schü­ler-Quäl­an­stal­tenb son­dern in eine afri­ka­ni­sche Dorf­schu­le, wo Kin­der Lesen und Schrei­ben ler­nen: 100% Lern­be­geis­te­rung. Alles ande­re wie auch bei uns ist insti­tu­tio­nel­le Defor­ma­ti­on.

Mein Bekennt­nis zur Lern­hal­tung ist klar: „Ich ler­ne noch“ – einen gol­de­nen But­ton mit schwar­zer Schrift tra­gen man­che Aus­zu­bil­den­de im Hotel­fach – wun­der­bar! Ich habe mir 2001 einen im Best Wes­tern in Breh­na bei Leip­zig gekauft und tra­ge ihn zu beson­de­ren Anläs­sen mit Stolz: Ich ler­ne noch, mit Freu­den! Auch aus Nie­der­la­gen, dann eher mit Schmer­zen. … habe nicht aus­ge­lernt – wie es frü­her ja auch hieß. „Aus­ge­lernt“ – da stülpt man nur die alten Scha­blo­nen über die neu­en Fra­gen – kei­ne Alter­na­ti­ve für Deutsch­land.

Dis­zi­plin ist in der Lern­hal­tung eine wun­der­ba­re Her­aus­for­de­rung! Hier ist Dis­zi­plin = Selbst­dis­zi­plin. Was will ich? – Was neh­me ich dafür auf mich! Wol­len statt sol­len, müs­sen, Nicht/dürfen. Statt­des­sen Inter­es­se, Neu­gier, Stau­nen: Moti­va­ti­on kommt von innen, ent­spricht unse­rem natür­li­chen Wesen. Moti­va­ti­on kann ja auch nur geweckt wer­den, wenn sie schon da ist. Für Sie als Füh­rungs­kraft haben wir hier mehr.

Wol­len gehört zur Dis­zi­plin wie das Sol­len zum Gehor­sam

Das Lob­lied aufs Wol­len ist viel­fach besun­gen wor­den, die Rea­li­tät sieht oft lei­der anders aus: Men­schen haben zu funk­tio­nie­ren wie ein Räd­chen in einer Maschi­ne – defek­te Tei­le wer­den halt aus­ge­tauscht. Erst wenn es an geeig­ne­ten Ersatz­tei­len man­gelt, steigt der Wert acht­sa­men Umgangs: Kei­nen Motor soll­te man auf Dau­er mit mehr als 66% der Maxi­mal­dreh­zahl fah­ren, sonst droht erhöh­ter Ver­schleiß, Aus­fall. Dafür gibt es doch Inspek­ti­on, War­tung, …? Prä­ven­ti­on leis­tet der “Dri­ver”!
Bit­te mehr Wert­schät­zung also für die „Mensch­ma­schi­ne“! Stär­ken wir mehr das Wol­len, ermu­ti­gen wir Selbst­dis­zi­plin statt selbst­er­o­die­ren­de Folg­sam­keit, die eh nur nutzt, bis der Betref­fen­de aus­ge­brannt ist. Heu­te schon, nicht erst mor­gen, nächs­tes Jahr, „Kei­ne hal­ben Sachen mehr“ – dank Dir Roger Cice­ro! Scha­de, dass Du schon so früh weg bist.

För­dern wir Offen­heit und Auf­ge­schlos­sen­heit, Suchen, Ler­nen, … sonst droht geis­ti­ger Still­stand: Aus­lau­gen der Sub­stanz statt in Ent­wick­lung inves­tie­ren und Poten­zia­le sich ent­fal­ten las­sen. Nicht-mehr-Ler­nen ist gleich geis­tig tot sein. Ein Hoch dem Wei­ter­ler­nen!

Ein letz­ter Satz dann doch noch zum „Chan­ge Manage­ment“: Wenn wir Wan­del gestal­ten, kön­nen wir grund­le­gen­de Erfolgs­fak­to­ren (Leis­tungs- und Lern­be­reit­schaft, …) auch nach­hal­tig beschä­di­gen. Sei­en wir also acht­sam: Wert­schöp­fung ohne Wert­schät­zung – wie soll­te das gehen? Und spä­ter: Ach­ten wir auf die Signa­le, bevor wir geblitzt wer­den. Grei­fen wir Zei­chen für alte Ver­letzt­hei­ten auf und klä­ren Alt­las­ten für leben­di­ge Zusam­men­ar­beit im Heu­te und Mor­gen, für Auf­ge­schlos­sen­heit und Inspi­ra­ti­on!

About Eckhard Schölzel
Dipl. Psych. (Leadership, Cooperation and Communication Psy.), Certified psychologist (leadership, cooperation, and communication psychology), certified values coach (VMI), TMS Master. Since 1984, trainer, coach, change agent for leadership and organizational development for high-tech companies: personality and organizational development; since 1995, entrepreneur at E.S.&Partner, management development in international corporations and medium-sized businesses.