22
Apr
2024
Online Arbeiten

Fach­kräf­te­man­gel trifft Wech­sel­wil­lig­keit

Vie­les hat sich in den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren tief­grei­fend ver­än­dert. Über die beson­de­ren Her­aus­for­de­run­gen mit den Gene­ra­tio­nen Y und Z (heu­te ca. 20–40 Jäh­ri­ge) wur­de schon vor­her gespro­chen. Stär­ker als vor­her erscheint jetzt die Wech­sel­be­reit­schaft als drin­gend zu beach­ten­des Phä­no­men. Sta­bi­le Arbeits­fä­hig­keit in wich­ti­gen Funk­tio­nen ist in Fra­ge gestellt.

Eine Stu­die des Tren­dence HR-Moni­tor Novem­ber 2023 zeigt die­ses Phä­no­men auf über­ra­schend hohem Niveau. An zwei­ter Stel­le mit 25% wird Mit­ar­bei­ter­bin­dung als die zweit­größ­te Her­aus­for­de­rung in 2024 ange­se­hen. Und was jeder spürt: die Bin­dung nimmt gene­rell immer mehr ab. Das Eigen­in­ter­es­se rückt ange­sichts unsi­che­rer Zukunfts­per­spek­ti­ven in den Fokus.

Im Zusam­men­hang mit dem Fach­kräf­te­man­gel (Posi­ti­on 1 und 3 („Recrui­ting“) deu­tet sich hier eine Zeit­bom­be an. Beson­ders bedroh­lich für die Qua­li­fi­ka­tio­nen, die schon jetzt beson­de­re Auf­merk­sam­keit ver­die­nen: IT-Spe­zia­lis­ten für Digi­ta­li­sie­rung und KI-Anwen­dun­gen.

Akademiker/innen blick­ten sogar noch mehr als ande­re opti­mis­tisch in das Jahr 2024. Kein Wun­der, aber eine Her­aus­for­de­rung für Füh­rungs­kräf­te und Recrui­ting.

Was tun

  • Recrui­ting auf pro­fes­sio­nel­les, zeit- und ziel­grup­pen­ge­mä­ßes Niveau brin­gen.
  • Viel inter­es­san­ter aber noch ist die Reten­ti­on-Fra­ge: Wie ver­hin­dern Sie, dass gute Leu­te Sie als Chef und Ihr Unter­neh­men ver­las­sen? Die Oppor­tu­ni­täts­kos­ten von uner­wünsch­ter Fluk­tua­ti­on brau­che ich hier nicht vor­rech­nen.

Was begrün­det Wech­sel­be­reit­schaft?

Ein bes­se­res Ent­gelt wird natür­lich als ers­tes genannt. Oft ver­steckt sich dahin­ter aber ein Anteil „Schmer­zens­geld“ für man­geln­de Füh­rungs­qua­li­tät und schlech­tes Unter­neh­mens­kli­ma. Ab einer bestimm­ten Gehalts­sum­me kommt es nicht mehr auf 1000€ mehr im Monat an. Wenn Füh­rung und Zusam­men­ar­beit, Kli­ma und Zukunfts­aus­sich­ten woan­ders mehr­ver­spre­chend sind, rei­chen 1000€ Schmer­zens­geld nicht.

Wenn aber schlech­te Stim­mung im Team und schlech­te Mit­ar­bei­ter­füh­rung mit einer kri­ti­schen Lage des Unter­neh­mens zusam­men­kom­men, wird es eng. Ein Grund, über das grü­ne Gras anders­wo nach­zu­den­ken. Die Bes­ten wer­den woan­ders mit Hand­kuss genom­men.

Was kön­nen Unter­neh­men tun?

Par­ty, Incen­ti­ves, Erfolgs­bo­ni? – das wird nicht rei­chen. „Man heu­ert bei einem Unter­neh­men an – ver­las­sen tut man sei­nen Chef.“ Auch wenn es nicht ganz so ein­fach ist, lenkt die­se Manage­ment-Weis­heit den Blick in die rich­ti­ge Rich­tung: Es geht um Qua­li­tä­ten zwi­schen­mensch­li­cher Ver­bin­dung wie Authen­ti­zi­tät, offe­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on, Sinn (Mission/Vision) und Team (Ver­bind­lich­keit, Ver­läss­lich­keit, Unter­stüt­zung), Die jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen (Y, Z) legen dar­auf viel mehr Wert. Höher­qua­li­fi­zier­te sicher­lich gene­rell stär­ker, beson­ders aber die Gene­ra­tio­nen, die für die kom­men­den IT-Her­aus­for­de­run­gen am ehes­ten mit­brin­gen, was gebraucht wird: „ein­ge­fleisch­te“ digi­ta­le Kom­pe­ten­zen.

Füh­rungs­qua­li­tät

Bevor­mun­den­de Füh­rungs­sti­le (dik­ta­to­risch, patri­ar­cha­lisch) sind schon aus dem Ren­nen. Aber auch ein bloß ergeb­nis­ori­en­tier­ter „mana­ge­ri­al“ Stil erreicht die beschrie­be­nen Wer­te auch nicht.

Jen­seits davon lie­gen per­sön­lich inter­es­sier­te­re Füh­rungs­qua­li­tä­ten wie der

  • Faci­li­ta­tor, der Men­schen ermu­tigt, ihren eige­nen Weg zu fin­den,
  • Kol­la­bo­ra­tor, der als Ers­ter unter Glei­chen auf­ga­ben­ori­en­tiert und men­schen­ori­en­tiert wirkt und halt die Gesamt­ver­ant­wor­tung trägt,
  • Ser­vant („sup­port­i­ve“) Füh­rungs­stil:

Jan Carls­son (Ex-SAS-Chef) hat­te das exem­pla­risch vor­ge­führt: SAS wur­de wie­der­holt zur bes­ten Flug­li­nie der Welt gekürt: alles Ser­vice – auch intern: Nicht Sie sind der Boss, der Mit­ar­bei­ter ist Ihr inter­ner Kun­de. Sie lie­fern, was er/sie objek­tiv und sub­jek­tiv braucht. Das zusam­men mit einer Visi­on fürs Unter­neh­men kann begeis­tern, und die Wech­sel­fra­ge stellt sich im bes­ten Fall gar nicht.

Natür­lich darf sich die pas­sen­de Art von Umgang auch im gan­zen Sys­tem des Unter­neh­mens wie­der­fin­den. Ope­ra­tiv ist die hier­ar­chi­sche Pyra­mi­de auf den Kopf zu stel­len: Ver­ant­wor­tung an die Ope­ra­ti­ve über­tra­gen, Effi­zi­en­te Mee­tings usw. Kei­ne Ban­ge: Dis­zi­pli­na­risch ändert sich nichts. Das wird aber sel­te­ner benö­tigt, weil alle wirk­li­chen Spaß an die­ser Art von Erfolg haben.

Trai­ning hilft dabei – es spricht ein erfah­re­ner Füh­rungs­trai­ner – nur, wenn das gan­ze Sys­tem unter die­se Vor­zei­chen gestellt wird. Coa­ching kann viel ein­ge­hen­der auf die ent­schei­den­den Grund­la­gen bei Füh­rungs­kräf­ten Ein­fluss neh­men: Ein ande­res Mit­ein­an­der: Vertrauen/Kontrolle, Mit­ar­bei­ter als Mensch statt als Human Res­sour­ce, gewin­nend statt kom­man­die­rend mit Zie­len füh­ren usw. Das stellt tief­grei­fen­de Fra­gen an die eige­ne Per­son als Füh­rungs­kraft. Aber es muss ganz oben begin­nen, sonst wird es eine Form von New Work, wo jun­ge Füh­rungs­kräf­te sich unten bewei­sen dür­fen, in kri­ti­schen Fra­gen aber allein­ge­las­sen wer­den – das habe ich selbst erlebt und bin (auch als exter­ner Trai­ner) gegan­gen.

Res­sour­cen­den­ken oder Mit­ar­bei­ter ent­wi­ckeln

Es man­gelt auch an Fach­kräf­ten, wenn wir erwar­ten, per­fek­te Fach­kräf­te zu fin­den. Wir wer­den ent­we­der oft ent­täuscht sein oder wir haben sie teu­er ein­ge­kauft – so machen wir das halt mit Res­sour­cen. Den­noch sind auch die „Hoch­prei­si­gen“ nicht fer­tig, auch wenn sie fach­lich kom­pe­tent und nett/teamfähig sind. Im neu­en Unter­neh­men ist Jede/r Anfänger/in. Sich bewäh­ren in der Auf­ga­be, Ver­trau­en bei Kol­le­gen gewin­nen, sei­nen Platz im Team fin­den, die Beson­der­hei­ten sei­nes Chefs ken­nen­ler­nen und ins­ge­samt die Unter­neh­mens­kul­tur, … Das trifft auf alle Gene­ra­tio­nen zu, wenn auch in unter­schied­li­cher Aus­prä­gung.

In jedem Fall wird ein Füh­rungs­mo­dell wie Situa­tiv Füh­ren als Grund­hal­tung hilf­reich sein. War­um das oft nicht ange­wandt wird? Weil es zwar ver­mit­tel­bar, aber nicht antrai­nier­bar ist. Füh­rungs­kräf­te, die maxi­mal im mana­ge­ri­al Level kom­for­ta­bel sind, krie­gen die coa­chen­den Füh­rungs­sti­le nicht hin:  „sup­port­i­ve“ ist nicht so sehr ihr Ding, wie fach­li­che und metho­di­sche Opti­mie­rung.

Über Eckhard Schölzel
Dipl. Psych. (Führungs-, Kooperations- und Kommunikations-Psy.), zertifizierter Werte-Coach (VMI), TMS-Master. Seit 1984 Trainer, Coach, Berater zur Persönlichkeits- und Organisationsentwicklung; Coach/Trainer für „Lebensbalance“; Seite 1995 Unternehmer E.S.&Partner, Management Development in Internat. Konzernen und Mittelstand. Führungs- und Organisationsentwicklung für technologische Spitzenforschung (THs)